Diezel Amps – Von Unbekanntheit und Weltruhm
Wir starten heute mal mit einer Frage: Hast Du schon mal was von Diezel Verstärkern gehört? Nein? Nun, vor knapp zwanzig Jahren wärst Du da nicht der Einzige gewesen. Heute solltest Du als Gitarrist allerdings schon wissen was ein Diezel Amp ist. Und wenn Du sogar schon mal einen angespielt hast, dann umso besser. Denn dann weißt Du, was deren Verstärker-Boliden alles können und warum viele der Großen mittlerweile auf Diezel zurückgreifen. Diezels Können ist nämlich der Grund dafür, dass Dir von den Bühnen vieler großer Bands eben genau solch ein Verstärker ins Auge springt. Was jedoch nicht heißen soll, dass alles Gold ist was glänzt, nein, keineswegs.
Aber gerade im Hi-Gain-Bereich siehst Du Diezel Amps relativ häufig. Sogar bei Metallica. Und der Jaymz verzeiht nun wirklich keinen Scheiss, da braucht man sich nur an das diesjährige Duett mit Lady Gaga erinnern.
In der Oberliga muss ein Amp was leisten, er muss verlässlich sein. Und genau das zusammen mit dem Mörder-Sound ist der Grund, warum Diezel-Verstärker nicht nur bei Hetfield und Co. zu finden sind. Mittlerweile werden nämlich auch die Normalsterblichen auf die erstklassig verarbeitete und druckvolle Alternative aufmerksam. Wenngleich das Paradoxon aus der Überschrift noch immer ein wenig aktuell ist. Das soll uns aber nicht davon abhalten, einen kurzen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Und deswegen begeben wir uns nun ins verträumte Dagolfing in Bayern.
Wie Du siehst, findest Du bei Diezel keine Fließbänder, kein Taylorism, kein Ramsch. Hier wird getragen, mit den Händen zusammengebaut und gelötet. Die Unterschrift auf der Rückseite Deines Diezel-Amps bürgt zudem für Persönlichkeit in der Herstellung. Deswegen hält Adam Jones Diezel VH-4 auch schon seit 18 Jahren.
Der Diezel VH-4 Verstärker – Diezels Mondlandung, samt Startschwierigkeiten
In erster Linie hat Diezel trotz des Homophons erstmal nichts mit Tankstellen und überteuerten Preisen zu tun. Klar, Du musst für einen Diezel VH-4 ein paar Scheine mehr lockermachen, das stimmt. Dafür bringt er Dich aber auch definitiv weiter nach vorne als Deine alte Rumpelkarre. Für einen Mercedes bezahlt man schließlich auch gern etwas mehr. Und beschweren tun sich da meist nur die eigentlich neidischen Puristen. Aber verlassen wir das Gefilde der Automobilmetaphorik. Was jetzt kommt, geht in Richtung feinste handverdrahtete Röhrentechnik. Dazu kommt eine ausgefeilte Balance zwischen Vor- und Endstufe, Kompression und die feinen kleinen Gimmicks. Daher kommen wir von Vierzylindern auch direkt zu Vierkanälern, und zum ersten besagten Amp: dem Diezel VH-4.
1993 entworfen, gilt er heute als Kultobjekt, als Klassiker, und wird immer noch fleißig weiterproduziert. Zudem ist er ein sehr wichtiger Dreh- und Angelpunkt in der Diezel-Firmengeschichte. Denn auch wenn sich 25 Jahre später alles fabelhaft entwickelt hat, war es am Anfang kein Zuckerschlecken. Es bedurfte einiger göttlicher Fügungen, bis aus Diezel das wurde, was sie heute sind. Und dafür mussten die beiden Gründer erst einmal einige Durststrecken überdauern.
Der Diezel VH-4 bietet für jeden Kanal einen separaten Effekteinschleifweg sowie einen separaten EQ. Dazu einen standardmäßigen parallelen und einen seriellen Einschleifweg. Der Sound ist diezelmäßig: Mehr Power und Lowend als Marshall, mehr Nuancen und Definition als Mesa. Alles beginnt mit sanftem, glockenartigem Clean, welches sich gleichzeitig aber schon deftigst ancrunchen lässt. Der zweite Channel geht dann bereits in Richtung AC/DC nur um über weiteres Gain-Zuführen immer heftiger zu werden. Im dritten Kanal landest Du schließlich bei einem deftigen Hi-Gain-Lowend, welches Du im Vierten in autoritärstes Solieren verwandelst. Aber der Lead-Channel ist ja auch zum Führen gemacht. In Planung ist übrigens ein VH-2 – ein Zweikanaler mit ähnlicher Technik. Näheres zum VH-4 findest Du hier.
Diezel-Verstärker – Kurz vor der Zündung
Das Z bei Diezel ist übrigens kein Schreibfehler, sondern Bestandteil im Namen von Peter Diezel. Und dieser hatte sich mit Namensvetter Peter Stapfer zu Zeiten schlechtester Pop-Musik in deutschen Chart-Gefilden ein Ziel gesetzt: Einen Amp zu bauen, den sie selber spielen würden. Und mal im Ernst: Den wollen wir eigentlich Alle.
Doch so leicht wie sich das jetzt anhört, war es zu Anfang nicht. Und das, obwohl massig Know-How vorhanden war. Beide Männer sind und waren Musiker und daher wussten Sie, was für einen Sound sie wollten. Man hatte seine eigene Vorstellung von einem spezifischen Klang. Einem Klang den man im Kopf hat, den man sucht, aber nirgendwo bekommt. Wenn man dann noch mit vielen anderen Musikern die Zeit verbringt, kristallisiert sich dieses Spezielle immer mehr heraus. Wie bei einem Diamanten. Jedoch kannten sich Peter und Peter noch nicht…
Rock’n’Roll und Zertifikate
Peter Diezel fing als Radio- und Fernsehtechniker an, spielte dabei aber schon seit geraumer Zeit Gitarre. Darunter fielen auch Bands mitsamt Liveerfahrung. Nebenher kümmerte er sich weiter um seine Ausbildung. Darunter ein Vordiplom in Elektrotechnik und auch ein Tonmeister bei der SAE. Was zu dieser Zeit ebenfalls passierte, hatte im Grunde jedoch weniger mit den erworbenen Zertifikaten zu tun. Peter Diezel fängt nämlich an Verstärker zu modifizieren. Und hier nimmt die Geschichte langsam Fahrt auf. Eine Extra-Röhre hier, ein wenig Löten da, und Peter Diezel baut die ersten Marshalls um. Gute Dinge sprechen sich nämlich rum – das ist der Vorteil der Mundpropaganda. Das hat einige Jahrzehnte vorher schon bei Mesa/Boogie und den anderen Verdächtigen gut funktioniert.
Jedenfalls fängt Peter an aus alten Marshall-Verstärkern Vierkanaler zu bauen. Damals noch ohne Platinen, dafür aber fein säuberlich mit der Hand auf Lötleisten. Punkt für Punkt. Und da erwächst der Wunsch, selber Amps zu bauen. Man will eine eigene Marke entwerfen, mit Verstärkern, die man selber gerne spielen würde. Doch wie? Denn wir alle kennen das: Das Geld ist knapp.
Peter und Peter – Aller Anfang ist schwer, aber mancher ist schwerer
Während der Herr Diezel fleißig seine Lötkünste verfeinert, rockt sich die spätere andere Hälfte der Firma über deutsche Bühnen. Mit einer Top-40 Band namens Härte 10. Einigen Stammmusikern dürfte dieses Ensemble durchaus noch ein Begriff sein. Der Gitarrist der Band, Peter Stapfer, hat dabei ein ähnliches Faible für Gitarren-Verstärker wie der Peter Diezel. Daher entsteht auch in ihm der Gedanke, dass er beruflich etwas mit Gitarren-Verstärkern machen möchte. Und wo der Lachs gegen den Strom schwimmt kommt er dann irgendwann auch an: Peter und Peter finden sich – abermals über Mundpropaganda. Und nach einem Telefonanruf und einem darauffolgenden Treffen gründen sie 1992 zusammen die Diezel Amplification GmbH.
Doch der Start der Firma ist anfangs beschwerlich. Startkapital ist da, aber knapp. Gut, dass Peter Stapfer noch etwas aus dem Top-40 Geschäft mit reinbuttert. Gleichzeitig kann er mit seiner Erfahrung aus einer absolvierten Banklehre das Finanzielle etwas managen. Doch das ändert nichts daran, dass der VH-4 in seiner Konstruktionsweise recht kompliziert ist. Eigentlich müsste er anstelle von Lötleisten in Platinenbauweise hergestellt werden, doch diese Technik verschlingt mehr Geld. Geld, das ohnehin knapp ist. Und dazu auch noch relativ schnell verschwindet – wie das bei einer Neugründung eben so ist. Doch Diezel Amplification kommt leicht ins Rollen. Zumindest kann die Produktion weiterlaufen. Und zu guter Letzt ließ sich ein black-metal-artiges Negativschicksal schließlich komplett abwenden.
Oben siehst Du wie bei Diezel gearbeitet wird: Jeder packt mit an. Anders funktioniert es nicht. Eine Symbiose aus Freundschaft und Business – handgefertigt, wie das Equipment. Daraus entsteht immer etwas Großes.
Waffen, Rosen, Brüste und Roadies – Diezel-Erfolg in Übersee
Es sind die amerikanischen Roadies, die dem bayrischen Amp zu erstem Ruhm verhelfen. Genau die Amerikaner, die schließlich mit ihren Mesa/Boogies gegen Ende der 90er die Nu-Metal Riffs shredden. Der VH-4 hatte einigen Roadies so gut gefallen, dass sie ihn zu ihren Bands schleppten. Eine davon war Guns’n’Roses. Im Folgenden sprach sich die Qualität und der Ampsound den Diezel produzierte natürlich rum, was zu weiterer Verbreitung führte. Mötley Crues Tommy Lee beispielsweise, so sagt man, bekam sogar einen Diezel VH-4 von seiner Pamela geschenkt. Muss Liebe schön sein. Da fragt man sich doch glatt ob Frau oder Amp. Oder eben beides, wenn einem die Frau so schöne Geschenke bereitet. Und das als Drummer.
Die illustre Schar der Endorser entwickelte sich also weiter, bis der Amp plötzlich auf den Bühnen von Limp Bizkit, Metallica und Korn stand. Das muss man als privat geführte Verstärker-Schmiede aus dem beschaulichen Dagolfing erst einmal schaffen. Zudem bürgt das eindeutig mehr von Qualität als jedwede mündliche Rezension.
Und so kommt es, dass auch die deutschen Vertriebe langsam ihr Stück vom Kuchen haben wollen. Alle denen, die die Sache vorher zu riskant erschien, meldeten sich schließlich wieder. Und aus der kleinen Firma wurde in kürzester Zeit eine anständige Amp-Manufaktur.
Diezel Herbert – Das nächste Stück Familiengeschichte
Aufgrund der Expansion ließ ein weiteres Amp-Modell natürlich nicht lange auf sich warten: Der Diezel Herbert erblickte im Jahre des Herrn 2003 das röhrige Rotlicht der Bühne. Benannt nach Peter Diezels leicht schwerhörigem Vater, drückt der Amp mit satten 180 Watt. So kann man den Charakter eines Menschen, der durchaus mal etwas lauter spricht, selbst in einem Amp einfangen. Ein Wahnsinnsgerät.
Die Power Amp Sektion kommt mit 6 KT77 Röhren daher. 3 Kanäle sorgen für Abwechslung von Clean in Channel 1 hin zu multiplen Crunch-Eigenschaften in Channel 2 und massivem Gain-Potential im dritten Channel. Dazu gibt es die Mid-Cut Sektion, welche zusätzliche Beeinflussung im Level und der Intensität ermöglicht. Gerade hiermit bekommt man diesen amerikanischen Sound, den so viele sich gerade im Metal wünschen. Eine saugeile Funktion. Austesten! Weitere Raffinessen, wie die beiden seriellen Effektwege, findest Du hier.
Zum Schluss: Diezel erhöht die Drehzahl
Der Erfolg des Herbert ließ nicht lange auf sich warten und so waren es Korn, die mit ihm ihre Touren vollzogen. Wie groß die in den 2000ern waren braucht man nicht zu erwähnen. Außerdem fragt der asiatische Mesa/Boogie Vertrieb an. Sie zeigen Interesse an den Diezel Amps. Die Produktion muss also weitergesteigert werden und ein Teil der Firma zieht um nach Bad Steben im Hof. Von hier aus kann man die Amps nun endlich aus einer standesgemäßen Werkstatt fertigen. Zu all der Zeit lief der Diezel VH-4 immer weiter und besser: John Fogerty von CCR nahm wortlos gleich mehrere mit und Metallica prügelten mit dem VH-4 ihr berüchtigtes St. Anger ein. Und viele der Leute die auf Diezel umgestiegen sind blieben auch dabei. Adam Jones beispielsweise, der Gitarrist von Tool. Das kommt nicht zuletzt auch daher, dass Diezel-Amps robust und mit viel Liebe gebaut werden. Da knackt nichts und da flubbt auch kein Schalter labberig rum. Und wenn doch mal was am Feintuning gemacht werden muss, dann profitiert man aus der langfristigen Zusammenarbeit. Denn so groß wie der Name Diezel unter Musikern mittlerweile ist, so klein und heimelich familiär bleibt das Konzept der Firma – auch wenn es dabei mittlerweile über Kontinente geht.
Wir hoffen, wir konnten Dir diese heimische Firma mit diesen paar Zeilen ein wenig näher bringen. Und dass Du, wenn Du demnächst auf der Suche nach einem neuen Amp bist, bei LOUDER.com vielleicht mal nach einem Diezel Ausschau hältst. Denn die haben ordentlich Dampf unter der Haube. Vertrau mir. Mein Diezel D-Moll glüht mindestens dreimal die Woche.
Weiteres zu Diezel findest Du übrigens hier.
Autor: Stephan Lüdicke