Gitarren-Amps für Dein Schlafzimmer – Yamaha THR10

Der Yamaha THR10 ist mittlerweile seit 2011 auf dem Markt. Und immer noch scheint er einige Menschen zu verstören. Denn seit nun mehr fast sieben Jahren kursieren unterschiedlichste Mutmaßungen über die Optik des kleinen digitalen Verstärkers. Ist es ein Toaster? Oder ein Radio? Wo kommt er her? Was sind seine Ursprünge?
So unterhaltsam das alles ist, so ermüdend sind diese Designstudien auch zugleich. Denn Optik sollte doch im musikalischen Bereich nicht im Mittelpunkt des Rampenlichtes stehen. Vor allem, wenn ein Gerät ordentlich was zu bieten hat. Beim Kemper fragt ja auch keiner, warum er wie ein modernes U-Boot-Radar aussieht. Auf den ersten Blick jedenfalls erscheint der Yamaha THR10 eher unüblich. Zumindest wirkt er nicht wie ein gängiger Gitarrenverstärker. Eher wie ein kleines, dezentes Möbelstück, dass sich nahezu unscheinbar im Wohnzimmerschrank verbergen lässt. Oder eben auch auf dem Nachtschränkchen.

Jedoch: So unscheinbar er wirkt, so faustdick hat er es hinter den Ohren. Denn mit seinen feinen Sounds kann er nicht nur Deine Gitarre, sondern auch Deinen Bass verstärken. Er kann Musik abspielen, die Gitarre stimmen und als Interface dienen. Des Weiteren besitzt er ein paar echt coole Effekte, vor allem in der Hall-Region. All das sind Gründe, weswegen wir ihm trotz seines Alters einen kleinen Testbericht widmen.
Yamaha THR10 – Third-Amp Konzept
In Verbindung mit dem THR10 brachte Yamaha ein interessantes Thema auf den Markt – das Third-Amp Konzept.
Was zum einen ein guter Marketing-Schachzug war, beschreibt zum anderen auch einen interessanten Gedanken. Denn viele Leute haben auf der Bühne und im Proberaum das fantastischste Equipment stehen. Jedoch kann man damit nicht überall hin. Das hat zur Folge, dass man nicht überall einen guten Sound haben kann, was genau der Punkt ist, an dem Yamaha mit dem THR10 ansetzt. Er ist als Off-Stage Amp konzipiert und soll Dir da guten Sound liefern, wo Du ihn sonst nicht hast – und zwar mitsamt Effekten. Wenn Du bspw. gerade im Wohnmobil eine gute Idee hast, wenn Du Deiner Band beim gemütlichen Sit-In ein Riff zeigen möchtest, oder wenn Du eben einfach zu Hause oder mobil im Hotelzimmer ein wenig jammen möchtest.

Und dieses Konzept ist gut aufgegangen. Denn der Amp bietet gute Sounds, die sich aufgrund der Konstruktion und der Größe gut transportieren lassen. Zudem bietet er Dir die Möglichkeit, mit ihm Deine eigene Musik via USB am Rechner aufzunehmen. Und da der THR10 in Kombination mit Yamahas Hifi-Abteilung entwickelt wurde, kannst du Dein fertig produziertes MP3-Arrangement dann auch noch direkt via Auxkabel über den THR abspielen. Denn er besitzt zwei 8cm Fullrange-Lautsprecher, die selbst mit MP3s und normaler Musik gut zurechtkommen.
Yamaha THR10 Optik – Amp a la Art Deco
Der Yamaha THR10 kommt in einem schicken Retro Design daher. Die geschlitzte Front bietet im eingeschalteten Modus eine rote LED-Beleuchtung, die Dir eine Röhrencharakteristik vorgaukelt. Sehr schön und vor allem auch cool. Warm wird da natürlich trotzdem nichts. Daher fällt die anfängliche Toaster-Konnotation auch direkt wieder flach.
Das Gehäuse besteht vorderseitig und an der Oberseite aus Stahlblech. Die Seiten und die Rückseite samt Batteriefach sind aus Kunststoff. Obendrauf befindet sich ein metallener Tragegriff. Das ganze Konstrukt wirkt jedenfalls robust. Außerdem schützt der Tragegriff die Potis, sollte der THR mal runterfallen, umkippen oder dergleichen. Kommt man zu den Mechaniken, so finden sich on top die Potis samt sechs kleinen Knöpfen. Auf der Rückseite findet sich lediglich der USB Input sowie der 15V Input für das Ladekabel. Also kein Line Out oder dergleichen.

Potis und die ersten Funktionen des THR10
Der Yamaha THR10 bietet Potis für Gain und Master sowie EQ’s für BASS, MIDDLE und TREBLE. Also alles Amp-Standard. Dazu kommen noch zwei Potis für die Effekte. Mit EFFECT regelst Du Flanger, Chorus, Phaser und Tremolo in der Intensität. Mit DLY/REV regulierst Du die Reverb- und Delay-Sektion.

Zusätzlich gibt es noch zwei Output-Potis. GUITAR steht dabei für den Instrumenten-Output, also die Lautstärke der Gitarre. Mit USB/AUX wiederum kontrollierst Du die Lautstärke Deiner PC- oder Musikwiedergabe. Denn über ein mitgeliefertes (sehr kurzes) Kabel kannst Du auch Dein Handy über Klinke anschließen. Somit kannst Du Musik hören, oder gleich direkt über den abgespielten Song jammen. Sehr cool. Da merkt man auch schon, wie sehr der Amp einen in die Übungssektion drückt. Vieles ist darauf ausgelegt, direkt losspielen zu können. Sei es alleine, oder eben über einen Begleittrack wie Deinen Lieblingssong.

Der Klang des Yamaha THR10
Kommen wir zu den Sounds des THR10. Im Grunde genommen bietet er fünf verschiedene Amp-Simulationen an, welche sich alle sehr unterschiedlich anfühlen. Von High Gain bis Clean ist für jeden etwas dabei. Dabei ist jeder Sound nicht nur sehr individuell, sondern auch extrem dynamisch – und im Feeling sogar röhrenähnlich. Vergleicht man das mit einem der beliebten Brühwürfel von früher, so stellt man erstmal fest, dass der THR10 mit seiner digitalen Simulation einen deutlich dickeren Sound als ein vergleichbarer 8cm-Speaker liefert. Das liegt zum einen an der digitalen Soundmodulation, welche beim THR vorzüglich ist, zum anderen aber auch an dem Gehäuse mit seiner speziellen Konstruktion. Dieses sorgt nämlich für einen Stereo-Raumsound, welcher in Kombination mit den Amp-Simulationen äußerst akzeptable Gitarrenklänge liefert.
Die ersten Sounds des THR10 – MODERN und BRIT HI
Der MODERN Sound des THR10 zielt selbstverständlich auf die High Gain Sounds beliebter Mesa-Modelle ab. Recti-ähnlich wird hier auf Zimmerlautstärke (oder gern auch lauter) eine 6L6-Röhren-Sektion simuliert, die ordentlich abliefert. Gerade für Metal-Riffs und zum Üben von Soli ein sehr cooler Sound, mit dem gemütliches Wohnzimmerriffing so richtig Spaß macht.

Die BRIT HI Einstellung hingegen simuliert die EL34 Röhren britischer Verstärkerlegenden. Und das merkt man auch. Der Sound ist mittiger ausbalanciert und klingt einfach marshalliger. Ist schon cool, wie man mit dem Drehen des Potis von Recti auf, naja, nicht gerade auf Plexi, aber eben auf britisch umschaltet.
Zwei so coole Sounds in so einem so kleinen Format legen die Messlatte für andere kleine Verstärker jedenfalls ziemlich hoch. Zumal alles so einfach geht und man sich die Sounds mit den EQ’s relativ schnell zurechtdreht. Alles fühlt sich wie bei einem echten Verstärker an. Und das liegt nicht nur an der wohligen LED-Beleuchtung. Denn die Sounds der 2,8 Kilogramm leichten Kiste machen Laune.
Weitere Modi des Yamaha THR10
Neben MODERN und BRIT HI bietet der THR10 aber nicht nur was für die rockige Fraktion, sondern auch was für die Blueser und Jazzer. Der LEAD Channel des THR10 beispielsweise beschreibt einen EL34 Sound mit weniger Gain in der Verstärker-Vorstufe. Das macht ihn sehr sanft und weich, ideal für bluesige Soli der zärtlicheren Gangart.
CRUNCH hingegen bietet EL84 Sound mit einer sehr guten Dynamik. Besonders mit der Telecaster macht der Sound tierisch Laune, wenngleich man sich bei zu hoher Lautstärke ein wenig Sorgen über die kleinen Speaker macht. Denn hier twangt es doch schon ordentlich aus den 8cm Speakern.
Bei CLEAN gab es dieses Problem aber nicht. Dieser Kanal bietet letztendlich einen Clean-Sound, der an den einer 6L6 Röhrensektion angelehnt ist. Warm und schön, für jazzige und auch bluesige Klänge, oder auch für Singer/Songwriter.
Von Singer/Songwriter bis Motörhead
Neben den fünf Ampsimulationen, gibt es aber noch drei weitere Modi:
Der ACO-Modus des THR10 simuliert den Klang einer mit dem Mikrofon abgenommen Akustikgitarre. Ein guter Sound, keine Frage. Ich persönlich jedoch habe diesen Sound nicht viel benutzt, da ich einfach den warmen Klang des CLEAN-Sounds besser finde. Jedoch lässt sich sagen, dass auch dieser für Singer/Songwriter eine gute Alternative darstellt.
Kommen wir nun zum Bass. Die BASS-Einstellung dient, wie der Name schon andeutet, als Amp für den Bassspieler. Diese funktioniert ebenfalls einwandfrei, wenngleich man sich jedoch vorsichtig an die richtige Einstellung herantasten sollte. Harte Slappings bei hoher Lautstärke gehen auf Dauer vermutlich nicht lange gut. Wenn Du aber ohnehin eher ein Rockbassist a la Lemmy Kilmister bist, dann kann ich Dir stattdessen den MODERN-Sound empfehlen. Gerade für die Motörhead-Fans ist das nämlich eine gute Sound-Wahl und macht beim nachmittäglichen Kaffeekränzchen ordentlich Laune.
Der FLAT-Modus der Amp-Sektion des Yamaha dient letzten Endes für musikalische Signale, die nicht aus einer Gitarre stammen. In gewisser Weise ist es ein Clean-Kanal, der Dir ermöglicht, auch andere Instrumente an den Amp anzuschliessen. Somit kannst Du ihn als Verstärkung für eine Klarinette, einen Synthie oder was auch immer nehmen.
Die Effektsektion des Yamaha THR10
Neben den guten Sounds, bietet der THR10 darüber hinaus noch eine Auswahl an ziemlich guten Effekten, darunter Chorus, Flanger, Phaser und Tremolo. Diese lassen sich über die Potis zwar nur bedingt justieren, aber dafür kannst Du sie über den THR Editor auch auf dem Desktop bearbeiten. Damit bietet sich Dir dann nochmal eine ganz andere Fülle an Möglichkeiten. Denn dann kannst Du die Effekte in den einzelnen Parametern wie bspw. Speed, Depth, Mix etc. selbst justieren. Zudem kannst Du über den Desktop noch zwischen zwei unterschiedlichen Kompressoren wählen oder aber ein Noisegate hinzuschalten. Da hat Yamaha also nicht gespart.

Was den Reverb und die Cabinets angeht, so bietet Dir die Desktopvariante des Editors hier auch noch mal verschiedene Varianten. Zum ersten kannst Du zwischen Room-, Plate-, Hall-, oder Spring-Reverb wählen. Diese klingen alle sehr unterschiedlich und was das Beste ist: Sie klingen auch noch richtig gut. Neben den Reverbs gibt es aber auch noch eine Auswahl aus unterschiedlichen Cabinetsimulationen. Diese variieren nicht nur in der Größe, sondern auch in der Simulation der Bauweise, also ob britisch oder amerikanisch. Sehr cool das Ganze.
Damit Du Deine Einstellungen aber nicht nur über den Desktop anwählen kannst, kannst Du den fünf USER MEMORY Tasten des THR10 Deine Sounds zuweisen. Das funktioniert auch mit denen, die Du nicht in dem Desktop-Programm, sondern am Amp direkt eingestellt hast. Also einfach die gewünschte Einstellung wählen, einen der USER MEMORY Knöpfe kurz gedrückt halten und fertig. Somit kannst Du Deine Lieblingssounds direkt abspeichern, so dass Du sie immer zur Verfügung hast.
Zu guter Letzt lassen sich die Sounds dann auch noch in der Library des Desktop-Tools abspeichern. Hier kannst Du dann weitaus mehr Settings erstellen und diese auch mit Namen versehen. Alles in Allem sehr umfangreich. In der Ausstattung und auch in der Soundvielfalt.
Recorden mit dem Yamaha THR10 und Effekte einschleifen
Aufnehmen ist mit dem THR10 ebenfalls möglich. Einfach über USB an den Computer anschließen und schon wird der Amp über einen heruntergeladenen Treiber in jeder gängigen DAW erkannt. Somit kannst Du Deine Sounds dann auch direkt im digitalen Format verewigen. Klar, der Sound ist etwas anders, als über die 8cm Fullrange-Speaker, aber das liegt in der Natur der Sache. Da musst Du dann in Deiner DAW etwas nachbearbeiten. Nichtsdestotrotz kann man mit den Klängen mächtig was auf die Beine stellen. Und das Ganze geht vor allem sehr schnell und auch leicht von der Hand.
Das einzige Problem des Amps bietet sich jedoch, wenn Du Deine eigenen Bodentreter verwenden willst. Du könntest zwar einen Distortion vor den Amp schalten, oder einen Octaver, aber bei Effekten die Du einschleifen müsstest, gibt es dann Probleme. Denn der Amp hat keinen Send, keinen Return, und auch sonst keine Möglichkeit eines einschleifbaren Effektweges. Wenn Du zu Hause also auf Deine Effekte nicht verzichten kannst, dann muss Du Dich vermutlich nach einem anderen Amp umschauen.

Fazit
Alles in Allem bietet der Yamaha THR10 ein sehr geniales und auch vielseitiges Soundspektrum. Vor allem auch in Kombination mit den echt superben Effekten, wenn man sie denn über die Desktop-App feinjustiert. Zudem klingen die Sounds und Effekte nicht nur gut, sondern reagieren auch in ihrer Ansprache realitätsnah. Das ist ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist. Denn wenn man einen Amp für zu Hause haben will, dann will man nichts Gekünsteltes. Oder etwas was einen einschränkt. Außerdem möchte man etwas, was auf unterschiedlichen Lautstärken gleich gut oder zumindest ähnlich gut funktioniert. Und genau hier gibt Dir der Yamaha, bis auf einige kleine Abstriche bei zu lautem Bass und Twang, die volle Soundvielfalt zu einem ansprechenden Preis.
Aber nicht nur das. Die Tatsache, dass man diese Sounds sogar direkt noch zum Recorden verwenden kann, machen ihn zu einem wirklich guten Off-Stage Amp. Solltest Du Dir also demnächst für zu Hause, für das Wohnmobil, den Urlaub, oder kleine gemütliche Jams einen kleinen Verstärker kaufen * wollen, ist dies die richtige Wahl. Zumal es ihn mittlerweile auch in verschiedenen Varianten gibt. Die Tatsache, dass kein Effektweg vorhanden ist, schmälert das Ganze leider ein wenig. Denn nahezu alle anderen Verstärker in dieser Preiskategorie besitzen so etwas. Aber vielleicht bessert Yamaha ja irgendwann in der V3-Version da nochmal nach. Dann wäre das Konzept jedenfalls perfekt.
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