„Custom Quote“: Hinter den Kulissen des Gibson Custom Shop
In diesem Artikel begeben wir uns hinter die Kulissen des Gibson Made to Measure Custom Shops. Hierzu erzählt Simon Gauf von seinen zahlreichen Erfahrungen, die er in insgesamt neun Besuchen des Gibson Custom Shops gesammelt hat.
Nashville ist die Music City. Und das lässt sie dich auch wissen. Die Hauptstadt des Country beherbergt ebenso viele Studios und Produzenten, wie Bands und Musiktouristen. Schon am Gepäckband am Flughafen wird man von angedeuteten Plastikfässern der im 80 Meilen entfernten Lynchburg beheimateten Jack Daniels Distillery und einem Gibson Gitarren-Schaukasten begrüßt. In Downtown, auf dem Broadway, wo sich eine Live-Band Kneipe an die nächste reiht, zeigt sich einerseits die herausragende Qualität der von Gig zu Gig hastenden Nashville-Mucker, als auch einen hochinteressanten Querschnitt des US-Country-Tourismus im alkoholgetränkten Country-Phantasialand. Frittierte Gurken inklusive. Und immer wieder Johnny Cash. Musik ist einfach überall gegenwärtig und die Stadt zelebriert sich gekonnt selbst. Perfekte Kulisse für die Weltmarke Gibson, ein „American Icon“, zugezogen in den 70er Jahren aus Kalamazoo, Michigan.
Im Rahmen meiner Tätigkeit als Produktmanager für den ehemaligen Gibson Vertrieb und als Einkäufer für Session Musik hatte ich in den letzten 10 Jahren häufig das Vergnügen, mich im Gibson Werk, 1612 Elm Hill Pike herumzutreiben. Und dies glücklicherweise nicht auf den üblichen Händler-Bespaßungs-Touren, sondern alleine, mit lange befreundeten Gibson Mitarbeitern. Auf den insgesamt 9 Trips habe ich ca. 300 Gitarren-Tops ausgesucht, Modelle spezifiziert und im Anschluss immer wieder gespannt auf die fertigen Ergebnisse gewartet.
Im Folgenden möchte ich einen kurzen „Insider“-Einblick geben, wie so eine Prozedur von statten geht.
„Custom Quote“ – Über die Entstehung eines Limited Runs im Gibson Custom Shop in Nashville/Tennesse
Gibson nennt es seit einiger Zeit etwas un-sexy „Made to Measure“ oder, ganz Millennial-Konform, schlicht „M2M“. Das M2M-Programm bietet jedem Gitarristen (das nötige Kleingeld vorausgesetzt) die Möglichkeit, die Gitarre seiner Träume ohne große bürokratische Hürden in Auftrag zu geben. Und das war nicht immer so. Wer die Gibson Strukturen kennt, weiß ein Liedchen davon zu singen… Im Sande verlaufene, in Vergessenheit geratene, im Nirwana landende „Custom Quote“-Anfragen, die allesamt, ob man’s glaubt oder nicht, über den Tisch des CEOs wandern. Wenn sie überhaupt dahin kommen. Und die Anfragen, die es bis dorthin schaffen, werden deshalb noch lange nicht genehmigt.
Auch wenn die Custom Orders für Einzelstücke deutlich einfacher geworden sind, ist es für größere Limited Runs als Händler unerlässlich, sich vor Ort detailliert mit der Materie auseinanderzusetzen. Und mit anzupacken – genau dort, wo es am wichtigsten ist: Bei der Holzauswahl.
Der Gibson Custom Shop ist nicht, wie man etwa annehmen könnte, eine kleine „Abteilung“ innerhalb der großen Gibson-Fabrik. Es handelt sich viel mehr um ein im Grunde autark agierendes Werk mit eigenem Standort und Team. Ganz wichtig: Der Holzeinkauf findet ebenfalls losgelöst von der großen Gibson USA Mutter statt. Dieser wurde bis letztes Jahr von Edwin Wilson, seines Zeichens „Historic Program Manager“ und Custom Shop Pionier der ersten Stunde (seit 1993), vorgenommen.
Eine Tour durch den Gibson Custom Shop und das Holzlager
Im vorderen Teil der Produktionshalle, nach Büros, Aging-Department, Final Assembly und Pausenraum befindet sich das Holzlager. Neben Mahagoni Korpus-Rohlingen, bereits ausgesägten Bodies, Hälsen und Griffbrettern befinden sich Palettenweise Ahorn-Bretter, bereits vom Holz-Lieferanten „bookmatched“ aneinander geleimt und in verschiedene Güteklassen unterteilt.
Die Tops mit starker Maserung bedeuten automatisch 59er oder 60er Les Paul und bestimmen automatisch einen erheblichen Aufpreis zum 58er Basismodell. Und hier beginnt genau der spannende Teil. Wer Uber-Tops sucht, dicke Tigerstripes, Killer Flame- oder Quilttops, wird zwangsläufig im teuren Stapel suchen müssen. Und selbst dort werden die richtig krassen Decken immer seltener.
Die Paletten mit sogenannten „Plaintops“, also eigentlich Ahorn ohne jegliche Flammung, halten hingegen wirkliche Überraschungen bereit. Wenn man sich die Mühe macht und die mannshohen Paletten von oben bis unten durchforstet, kommen (mit ein bißchen Glück) richtige Schätze zum Vorschein. Nicht nur stark gemaserte Hölzer landen aus unerfindlichen Gründen in diesen Stapeln, sondern auch richtig abgefahrene, ungleichmäßige Maserungen, die einen speziellen Charme versprühen. Bekannterweise sind nur eine Hand voll Original Bursts so stark und vor allem perfekt geflammt, wie die typischen Historic Reissues. Diese „Plain-Flametops“ also, bieten den eigentlichen, klassischen und gesuchten Vintage Look, deshalb habe ich mich genau auf diese Hölzer „eingeschossen“.
Wie entscheidet man, welche Tops am besten passen?
In der Regel gehe ich mit einer konkreten Vorstellung ans Werk, wie viele Gitarren mit welchen Specs ich haben möchte. Allerdings ist das oft Makulatur, wenn einem die Realität im verstaubten Ahornwald einen Strich durch die Rechnung macht oder man durch strange gemaserte Tops zu neuen Ideen inspiriert wird.
Ist die Spreu endlich vom Weizen getrennt, geht es an A/B Vergleiche und die zweite Selektion. Dann werden die Decken gedreht und gewendet, um die optimale Body-Form einzuzeichnen und genau zu bestimmen, was Decke und was Verschnitt ist.
Wichtig ist, sich die Tatsache vor Augen zu halten, dass eine ganze Menge Holz durch das Formen des Decken-Shapings verloren geht und die fertige Gitarre im Nachhinein oft nur noch wenig mit der ursprünglich ausgesuchten Decke zu tun hat. Deshalb gilt es, zumindest darauf zu achten, dass sich die Maserung gleichmäßig durch die gesamte Stärke des „Bretts“ zieht. Nichtsdestotrotz kommt es regelmäßig vor, dass konturierte Bodies im Müll landen, weil sich auf einmal ein Astloch zeigt. Und mindestens genau so oft wird, nach Rücksprache, aus einer „Dirty Lemon“-Lackierung ein „Faded Tobacco“ , weil der Deckenrand eine unschöne Stelle aufweist.
Was passiert, wenn die Tops ausgewählt worden sind?
Bei aller Optik, sind wir hier natürlich noch nicht beim Klang. Ob Plain- oder Flametop, tut hier nichts Sache. Es kommt auf die Dichte und das Gewicht des Ahorns an und natürlich auf das Mahagoni und Palisander. Die Ahorn-Bretter unterscheiden sich teilweise eklatant vom Gewicht. Manche Bretter können dreimal so viel wiegen wie andere. Eine Faustformel für einen guten Les Paul Sound wäre z.B. eine eher schwere, dichte Ahorn-Decke auf einem leichten Mahagoni-Body. Dies liefert das perfekte Verhältnis an Höhen/Mitten/Bass Anteil und die nötige Transparenz.
Grundsätzlich wird zwischen „Hard Rock/Eastern Maple“ und „Western Soft Maple/Big Leaf“ unterschieden. Dies ist, wie alles, natürlich auch Geschmacksache. Die weicheren Western Tops sind oft stark und breit geflammt. Man kann also sagen, dass die Schönlinge unter den Tops in der Regel aus Western Maple sind. Hard Rock Maple hat eher engere Jahresringe und oft sog. „flecks“, also kleinere fleckige, bräunliche Verfärbungen.
Ist die finale Auswahl getroffen, werden alle Tops nummeriert und fotografiert. Anhand dieser Bilder lassen sich die Decken perfekt mit den benötigten Specs matchen (Farbe, Halsprofil, Pickupbestückung etc.), was sich erfahrungsgemäß am besten beim abendlichen Wendy‘s Dave‘s Double und Sam Adams im Hotelzimmer erledigen lässt. Leichte Mahagonibodies und dunkle Palisandergriffbretter lassen sich ebenfalls über das Specsheet optional auswählen. Für die Option „Ultralight“ muss man mittlerweile übrigens richtig tief in die Tasche greifen.
Das Leben rund um den Gibson Custom Shop
Der „Fun-Part“ eines jeden Trips, war sicher die obligatorische Papa John’s Pizza zum Lunch mit General Manager Rick Gembar, der im Anschluss gerne die ein oder andere Vintage Les Paul aus seinem Büro holte oder neue Prototypen zeigte.
So bekam ich neben einigen Collector‘s Choice Originalen auch Mike McCready‘s legendäre ’59 in die Finger, sowie den Rick Nielsen Prototyp mit seinen Änderungs-Vermerken. Ausserdem konnte ich u.a. alle 25 Slash „First Les Paul“ Aged&Signed, sowie eine ganz besondere SG begutachten, die mir in bester Erinnerung blieb – im Prinzip eine SG für Les Paul Spieler. Korpusdicke und Pickup-Abstand entsprachen einer Les Paul, was sie wesentlich besser bespielbar machte, als das Original.
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